Andenken by Brandt Lars

Andenken by Brandt Lars

Autor:Brandt, Lars [Brandt, Lars]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Literary Criticism, European, German, Fathers and Sons, Prime Ministers
ISBN: 9783446207103
Google: oyloAAAAMAAJ
Amazon: 3499244535
Herausgeber: Hanser
veröffentlicht: 2006-02-27T23:00:00+00:00


»Wir sind Filmschaffende«, rief einer von uns zu meiner Überraschung, und ich dachte: Gar nicht so schlecht. Die Grenzkontrolleure wollten wissen, was wir vorhatten. Unser Bus überquerte die Grenze nach Polen, das ich irgendwo in der Ferne gewähnt hatte und das nun aber gleich ne-benan lag. Die DDR war für mich unbekanntes Territorium, von dem ich nur die Transitstrecken kannte, die West-Berlin und das Bundesgebiet verbanden. Richtung Osten führte keine.

Filmschaffender. Gerade war ich fünfzehn geworden. Die Dreharbeiten zu dem Spielfilm Katz und Maus waren kein Scherz und deswegen ein Spaß. Es war wirkliche Arbeit, zum ersten Mal in meinem Leben. Die Anspannung, wenn die Kamera lief, und der Leerlauf in den Pausen ergaben eine kräftezehrende Mixtur, die mir schmeckte. Ich war auf mich gestellt. Vom Bauernmarkt holte ich mir ein Küken, das ich Hartmut taufte und auf meinem Zimmer im sparta-nischen Seemannsheim zu Gdingen unterbrachte. Inmitten einer leicht hysterischen Gemeinschaft von Leuten, von denen jeder wußte, was er zu tun hatte. Alles ergab sich aus nur einem Ziel: Den Film zu drehen und ins Kino zu bringen.

Eine Szene, in der ich mit einer Badehose bekleidet einen grotesken Tanz hinlegte und dabei mit einem Ritterkreuz wedelte, löste später einen Skandal aus. Zwanzig Jahre sind genug, eine damals viel zu hörende Parole, hatte für die noch reichlich vorhandenen und überhaupt nicht kleinlauten Nazis mehr als symbolischen Charakter. Daß ich mich er-frechte, ein ihnen heiliges Symbol zu schmähen, sorgte nach der Premiere des Films für Aufregung. Es hagelte Beschimp-fungen in der Pr

e

ess , und Briefe ohne Absender verspra-

chen mir Saures.

V. wurde ebenfalls attackiert, weil er mein Treiben zuge-lassen hatte. Er wußte schon, was er tat. Der ganze Film –

wie die Novelle, auf die er zurückging – war natürlich bestens geeignet, Altnazis aufzuregen. Es war schwer vor-stellbar, daß V. sich unbedacht in eine Lage manövriert hatte, die durch meine Tanzparodie mit dem Kriegsorden höchstens etwas zugespitzt wurde. Ich nahm an, der ganze Rummel war von ihm und seinen Beratern einkalkuliert. Sie waren nicht von gestern. Außerdem bot sich so ein neues Mal gute Gelegenheit zu beweisen, wie liberal und weither-zig er sich im eigenen Haus verhielt.

Der Film lief auch im Ausland. Der italienische Regisseur Roberto Faenza rief an, bat mich zu Probeaufnahmen nach Rom. Ich reagierte verhalten. Ich wollte ja nicht Schauspieler werden. Ich solle trotzdem auf jeden Fall kommen, wir müßten alles in Ruhe besprechen. In den Studios von Cine-città wurde ich in Ketten gelegt, aus denen ich mich dann zu befreien hatte. Zwei, drei Tage lang zog Faenza mit mir durch die Stadt und die Szene. Von Rom aus flog ich nach Norwegen: V. überließ die Entscheidung, ob ich nach Italien gehen und die Schule abbrechen wolle, mir. Ich schickte ein Telegramm mit meiner Absage nach Rom.



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